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IM GESPRÄCH MIT GISÈLE LINDER

Aktualisiert: 25. Feb. 2020

Vor 35 Jahren hat Gisèle Linder ihre Galerie eröffnet, seit 31 Jahren ist sie an der ART dabei. Die Galeristin über Mäzenatentum, die Spannung zwischen «Business» und Experiment und die Freude am Entdecken.


Gisèle Linder in ihrer Galerie. Foto: Serge Hasenböhler


Von Michèle Faller

Das Haus ist einladend. Die Schaufenster werden von zierlichen Pilastern eingerahmt und auch die je drei Treppenstufen, die zu den beiden Türen hinaufführen, passen zum klassizistischen Touch. Ein Blick durch die Fenster macht aber klar, dass es drinnen nicht um vergangene Epochen, sondern um zeitgenössische Kunst geht. Die Galeristin öffnet lächelnd die Tür und bittet ins kleine Büro hinter den Ausstellungsräumen. Seit knapp 35 Jahren führt Gisèle Linder die gleichnamige Basler Galerie an der Elisabethenstrasse.


Bevor wir auf Gisèle Linders Engagement für Kunst und Künstler zu sprechen kommen, lautet das Stichwort Maja Sacher-Stehlin. Am 8. August jährt sich der Todestag der Kunstsammlerin zum 30. Mal, doch ihre persönliche Leidenschaft für zeitgenössische Kunst prägt Basel bis heute. «Eine schöne Geschichte, die mir in Erinnerung blieb, ist das Kleid mit den Stoffzigaretten, das Fred Spillmann für Maja Sacher-Stehlin kreierte, die ja ziemlich viel rauchte», sagt Gisèle Linder mit einem Schmunzeln. Und dann wieder ernst: «Wir können glücklich und stolz sein, dass es solche Familien in dieser Stadt gibt. Es sind echte Mäzene.»



«Vielleicht muss man ein bisschen naiv sein. Auf jeden Fall aber passioniert!»



Gisèle Linders Interesse an der bildenden Kunst ist familiär bedingt, denn schon ihr Vater kaufte früher Kunst. Allerdings eher hobbymässig, betont die Westschweizerin. Wer ein paar Bilder kaufe, sei ja noch kein Kunstsammler, eher ein Liebhaber. «Aber die braucht es auch.» Später in Genf in der Galerie von Freunden kam sie wieder mit Kunst in Kontakt und merkte schliesslich: «Das ist meine Welt.» Bevor sie ihre eigene Galerie eröffnete, arbeitete Gisèle Linder als Sekretärin in einem Basler Chemiekonzern und begann ihre Galerietätigkeit quasi von zu Hause aus. Nun ist sie seit über drei Jahrzehnten erfolgreich dabei. Nach einem Erfolgsrezept befragt, sagt die gestandene Galeristin etwas verlegen: «Vielleicht muss man ein bisschen naiv sein. Auf jeden Fall aber passioniert!»



Die Qualität der Kunst spüren



«Ihre» Künstlerinnen und Künstler kommen aus verschiedensten Weltgegenden. Aktuell und noch bis zum 13. Juli ist in der Galerie die Ausstellung «One and One» des Basler Künstlers Serge Hasenböhler zu sehen. Früher habe sie sich vor allem auf konkrete Kunst und Monochrome spezialisiert. Heute sei sie offener, aber gleichzeitig kritischer. Nach wie vor sei wichtig, dass sie die Qualität der Kunst sehe und spüre und sich nicht nur darauf verlasse, was man so höre. Deshalb besuche sie gerne Ausstellungen wie die Regionale. Früher, als diese noch «Weihnachtsausstellung» hiess und praktisch jede und jeder eine Chance erhielt, dort auszustellen, mochte sie die Schau noch lieber. «Es gab viel Schreckliches, aber auch sehr viel zu entdecken!», lacht die Galeristin.


Seit 31 Jahren ist Gisèle Linder an der Art dabei. Die Basler Galerien seien aber nicht besonders gut vertreten, und was generell fehle, sei der Nachwuchs. «Junge Galerien, die junge Kunst zeigen, sind so wichtig für eine Stadt und bringen Bewegung. Auch für mich ist es manchmal schwierig, ganz junge Kunst zu verstehen», erklärt sie. Und wie schaffte es sie selber als junge Galeristin, einen begehrten Standplatz an der Art Basel zu ergattern? Damals sei es noch einfacher gewesen, zumal Ernst Beyeler sich sehr für die Basler Galeristen eingesetzt habe. Heute sei die Messe weniger auf Experimentelles und mehr auf «Business» ausgerichtet, und einen Stand zu kriegen sei schwieriger geworden — sogar nach Jahrzehnten des Ausstellens, wie Gisèle Linder erfuhr, als sie vor drei Jahren keine Zusage erhielt. Sie legte Rekurs ein und mit der tollen Unterstützung aus der Kunstszene habe es schliesslich doch geklappt. So sei aus dem Schrecken eine positive Erfahrung geworden.


Positives gibt es einiges. Das wird klar, wenn die Galeristin in den vielen Ordnern blättert, mit leuchtenden Augen von den Begegnungen mit den Künstlern berichtet und Fotos von Vernissagen, Cocktailpartys in der Galerie und dem 30-Jahre-Jubiläum vor fünf Jahren zeigt. Insbesondere von der Toninstallation «Avoir vent» von Rudy Decelière, die zu diesem Anlass die Galerie zierte. An Fäden befestigte und mit Magneten versehene Magnolienblätter bewegten sich sanft und erzeugten dabei ein leises Geräusch.



Links: Rudy Decelière, Toninstallationen «Avoir vent», 2014 (anlässlich 30-Jahre-Jubiläum am 24. August 2014 – 25.8.–13.9.2014)


Mitte und rechts: Serge Hasenböhlers «One and One 15» und «One and One 02»

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