BASEL 2037 – Die Vision fürs Jahr 2037 und der Weg zur klimaneutralen Wirtschaft in Basel
- BaslerIN

- vor 2 Tagen
- 5 Min. Lesezeit
Basel verfolgt eine der ambitioniertesten Klimastrategien: Netto-Null bis 2037. Was dies konkret bedeutet, welche Rolle die Wirtschaft spielt und wie der Verein Basel2037 als zentrale Schaltstelle kleine und mittlere Unternehmen begleitet, erläutern die Co-Geschäftsführerinnen Michaela Reimann und Celestina Rogers im Gespräch.

Basel 2037: Rahmen, Ziele und Motivation
Basel hat sich ein beachtetes Ziel gesetzt: Klimaneutralität bis 2037. Das heisst, es sollen so wenig Treibhausgase wie möglich ausgestossen werden, und die unvermeidbaren Reste müssen aktiv aus der Atmosphäre entfernt werden. Um diesen «Turbo» für die Dekarbonisierung zu zünden, braucht es mehr als nur politische Vorgaben – es braucht die gesamte Wirtschaft. Hier kommt Basel 2037 ins Spiel.
Der gemeinsam vom Kanton und vom Gewerbeverband Basel-Stadt ins Leben gerufene Verein ist die zentrale Anlaufstelle und der Motor für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Region. Er bietet konkrete Förderprogramme, gezielte Beratungen und die notwendige Vernetzung, um Nachhaltigkeitsstrategien nicht nur auf dem Papier, sondern wirksam in der Praxis umzusetzen.
Doch wie realistisch ist dieses straffe Zeitfenster? Wo liegen die grössten Hürden in den Bereichen Mobilität, Gebäude und Bauen? Und wie gelingt es, die Innovationskraft der Basler KMU für diesen fundamentalen Wandel zu mobilisieren? Wir sprechen mit den beiden Co-Geschäftsführerinnen Michaela Reimann und Celestina Rogers über die Strategie, die ersten Erfolge und die Vision, wie Basel2037 nicht nur ein klimaneutrales, sondern auch ein zukunftsfähiges und wettbewerbsfähiges Basel schafft.
Frau Rogers, für viele klingt das nach einem ehrgeizigen, aber auch abstrakten Begriff. Könnten Sie bitte ganz einfach erklären: Was genau bedeutet Netto-Null für Basel-Stadt im Alltag? Und welche Art von Verschmutzung oder CO²-Ausstoss muss dabei berücksichtigt werden – zum Beispiel der Ausstoss, der direkt in Basel entsteht (Heizungen, Verkehr), und jener, der indirekt durch unsere Konsumgüter oder Reisen verursacht wird? Zudem: Wenn wir den Ausstoss nicht ganz vermeiden können, wie wird dieser «Rest» wieder ausgeglichen?
Celestina Rogers: Netto-Null bedeutet, dass wir bis 2037 alle Treibhausgasemissionen, die wir heute noch in die Luft «blasen» – etwa durch Heizungen, Autos oder Lastwagen – durch saubere, effiziente und langfristig günstigere Alternativen ersetzen wollen. Das wirkt sich nicht nur positiv auf das Klima, sondern auch auf Lärm, Luftqualität, Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen in Basel aus.
Bisher gesetzlich verankert ist vor allem die Reduktion der direkten Emissionen (sogenannte Scope-1-Emissionen). Das sind die Abgase, die direkt hier in Basel entstehen – etwa durch Verbrennung im Verkehr oder in Heizungen. Indirekte Emissionen aus Konsum oder Reisen (Scope 3) sind zwar nicht Teil der rechtlichen Verpflichtung, wir betrachten sie aber in unserer Arbeit, weil wir wissen: Nachhaltigkeit funktioniert nur im Zusammenspiel – mit Energie, Wasser, Biodiversität, Gesundheit und vielen weiteren Bereichen, die eng miteinander verbunden sind. Ein kleiner Rest an direkten Emissionen wird wahrscheinlich auch 2037 noch übrigbleiben. Der Umgang damit ist Aufgabe des Kantons, und die Lösungen dazu sind aktuell in Arbeit.

Frau Reimann, das Ziel Netto-Null bis 2037 ist sehr ambitioniert. Was ist der wichtigste strategische Pfeiler des Vereins Basel 2037, der diesen straffen Zeitplan realistisch machen soll? Und wie stellen Sie als Co-Geschäftsführerinnen sicher, dass diese Vision auch über die Amtsdauer einzelner politischer oder Verbandsvertreter hinaus Kontinuität und Tragfähigkeit besitzt?
Michaela Reimann: Der wichtigste strategische Pfeiler ist die Struktur des Vereins selbst: Basel2037 ist bewusst unabhängig von wechselnden politischen Mehrheiten aufgestellt, gleichzeitig aber breit verankert – gegründet durch den Gewerbeverband und den Kanton. So stehen sowohl Mittel als auch Reichweite für eine langfristige, wirksame Arbeit zur Verfügung.
Ein zweiter Pfeiler ist die Sensibilisierung und Begleitung: durch Beratungen, Schulungen und Events. Wenn wir Unternehmen erfolgreich auf ihrem Weg begleiten, werden sie selbst zu Botschafterinnen und Botschaftern – und inspirieren andere, ebenfalls aktiv zu werden. Diese Wirkung kann sich wie ein positiver Schneeballeffekt entfalten.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind der Schlüssel für das Gelingen der Klimastrategie. Viele KMU haben begrenzte Ressourcen für grosse Transformationsprojekte. Frau Rogers, wie überwinden Sie die Hemmschwelle, KMU für das Thema zu gewinnen? Und welche konkrete Erfolgsgeschichte oder welches Leuchtturmprojekt aus der Startphase von Basel 2037 kann andere Unternehmen am besten zur Nachahmung motivieren?
Celestina Rogers: KMU sind das Rückgrat der Basler Wirtschaft – ohne sie ist Netto-Null nicht erreichbar. Viele von ihnen haben aber weder Zeit noch Ressourcen für grosse Transformationsprojekte. Deshalb setzen wir auf zwei Förderprogramme:
Begleitung von Unternehmen mit konkreten Vorhaben: über Mentoring, Coaching und Peer-Learning in einem mehrmonatigen Prozess, während dem das Unternehmen sein eigenes Vorhaben in die Umsetzung bringt. Ganz konkret und praxisorientiert.
Finanzielle Förderung nachhaltiger Partnerschaften: Wir fördern Partnerschaften, die nachhaltige Innovationen hervorbringen. Gerade das «über den Tellerrand schauen» und neue Allianzen eingehen kostet oft zusätzlich Zeit und Geld – und hier setzen wir an, um Hürden zu senken.
So entstehen Leuchtturmprojekte, die nicht nur den Unternehmen selbst, sondern auch dem Kanton insgesamt zugutekommen. Da diese Förderprogramme erst gestartet sind: Fragen Sie uns in einem Jahr nochmals – wir sind überzeugt, dass wir Ihnen dann von den ersten konkreten Projekten berichten können.
Was wir bereits in der kurzen Zeit seit dem Start unserer Beratungen im August 2025 feststellen: Unternehmen, die ihre Energieeffizienz oder ihr Nachhaltigkeitspotenzial systematisch analysiert haben, werden häufig auch aktiv. Sobald klar ist, wo Effizienzpotenziale oder grosse Nachhaltigkeitshebel liegen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Chancen auch genutzt werden. Wir haben beeindruckende Beispiele gesehen, bei denen aus einer solchen Analyse konkrete, vorbildliche Massnahmen entstanden sind. Genau deshalb ist unsere kostenlose Erstberatung ein zentraler Hebel – sie hilft Unternehmen, ihre Möglichkeiten zu erkennen und den ersten Schritt zu tun.
Die Klimaschutzstrategie umfasst Handlungsfelder wie Mobilität, Bauen und die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Wo sehen Sie, Frau Reimann, im Moment die grösste praktische Herausforderung in der Umsetzung – sei es bei der Reduktion der grauen Emissionen im Bau, der Energieeffizienz von Bestandsbauten oder der Umstellung der Transportlogistik? Und welche Massnahme wird diese Hürde am ehesten überwinden?
Michaela Reimann: Ein grosses Thema sind die Gebäude – sowohl im Bestand als auch beim Neubau. Hier stehen wir vor einer Mammutaufgabe: Materialien, Bauprozesse und Energieversorgung müssen neu gedacht werden. Zirkuläres Bauen bietet enorme Chancen, wird aber bisher noch zu wenig genutzt.
Die grösste Hürde ist oft fehlendes Wissen. Nachhaltigkeit wird noch immer mit hohen Kosten oder Verzicht gleichgesetzt. In Wahrheit sind viele Massnahmen aber nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch gesundheitsfördernd. Hier wollen wir aufklären und konkrete Vorteile sichtbar machen.

Der Verein Basel 2037 wurde von Kanton und Gewerbeverband lanciert. Wie funktioniert diese Partnerschaft im Alltag? Und welche Rolle spielen andere wichtige Akteure wie Forschungsinstitutionen, Banken oder die Zivilgesellschaft dabei, aus den Einzelmassnahmen einen ganzheitlichen Wandel für den gesamten Wirtschaftsstandort Basel zu formen?
Celestina Rogers: Die beiden Gründungsmitglieder – Kanton und Gewerbeverband – haben uns einen stabilen Boden gegeben, um starke Wurzeln zu bilden. Gleichzeitig sehen wir es als Kernauftrag, uns breit zu vernetzen: mit Forschungsinstitutionen, Banken, Zivilgesellschaft und vielen weiteren. Nur wenn alle Akteure zusammenarbeiten, entsteht ein echter, ganzheitlicher Wandel.
Basel ist in diesem Jahr auf Platz 5 der nachhaltigsten Tourismusstädte Europas geklettert. Diese gute Platzierung ist das Ergebnis einer engen Partnerschaft zwischen Basel Tourismus, der Kantons- und Stadtentwicklung, der Fachstelle Klima, dem Amt für Umwelt und Energie und der stetig zunehmenden Zahl an zertifizierten Betrieben, die sich aktiv für eine nachhaltige Entwicklung engagieren – und diese Entwicklung wollen wir auf alle Wirtschaftsbereiche übertragen.
Was ist der wichtigste Wandel, den die Bürgerinnen und Bürger von Basel-Stadt durch die Arbeit von Basel 2037 im Alltag spüren sollen?
Michaela Reimann: Für die Bürgerinnen und Bürger von Basel soll der Wandel erlebbar werden: mehr Lebensqualität durch saubere Luft, weniger Lärm und gesündere Arbeits- und Lebensbedingungen – sowie Stolz und die Sicherheit, dass ihre Stadt zu den Vorreitern einer zukunftsfähigen Entwicklung gehört.



