Ausstellung von Ursula Palla „jardin infini“ 10.6. -18.07.2020 in der Galerie Gisèle Linder
Was bleibt vom Erdengut, wenn es Stück für Stück, Zeitalter für Zeitalter abgetragen wird?
Ursulas Pallas Arbeit ist stets wachsam für die grundlegende Problematik der Natur und ihrer Ausbeutung durch den Menschen. Die geheimnisvolle Schönheit der Natur wird in ihrem paradiesischen Zustand aufgebrochen und als Projektion, Oberfläche und Fiktion offengelegt, der wir nicht so einfach trauen können. In poetischen und raumreifenden Bildern erschafft die Künstlerin Situationen, die gleichsam Kulisse wie erzählte Geschichte sind und doch am Ende offen bleiben und dabei den bitteren Geschmack der eigenen Verantwortung in sich tragen. Auch in der Installation ‚empty garden‘ ist das eigene Erleben, die individuelle Bewegung des Betrachters innerhalb der Installation notwendiger Schritt auf dem Weg, den Palla zeichnet. Wohin wir gehen? Direkt hinein in den “empty garden”, welcher aus bronzenen Pflanzenresten aus dem Boden wächst. Bedrohlich schön, fragil und verlassen öffnet sich dieser Ort, in dem wir wandeln können.
Die Inspiration für die Ausstellung fand Ursula Palla beim Besuch von Monets Garten in Giverny, einem Paradebeispiel kultivierter Natur, geschaffen von Monet, als Vorlage für seine Werke. Dieser Garten als Sinnbild der exquisiten Pflanzenauswahl verbannte jegliche Wildpflanzen oder Beikräuter und offenbarte eine streng selektionierte Fauna und Flora als “natürliches” Ideal. Bei ihrem Besuch im Januar 2013 fand Ursula Palla heimische Unkräuter, die sich Stück für Stück ihren Platz im früheren Revier zurück eroberten. Diese ursprünglichen, doch unerwünschten natürlichen Restbestände werden in der Installation ‚empty garden‘ aufgegriffen. Es ist das eigentlich Unsichtbare, das in Videoinstallation sichtbar wird: verdrängte und ausgerissene Pflanzen.
In ‚empty garden’ ragen sie nun aus Bronze gegossen wie Gewächse und Gräser aus dem Boden und erinnern an ein brachliegendes Feld. Sie nehmen den Raum für sich ein und werfen im Halbdunkel ihren eigenen Schatten voraus. Eine Videoprojektion erweitert das Szenario: Wildpflanzen scheinen auf und vermischen sich mit den Schatten. Ein surrealer Schattenraum konzentriert sich, Schichten, aus Zeit, Ort und Material. So schweigsame und farbarm der “empty garden” vor einem liegt, so schön wirkt er.
In der zweiten Installation ‚the pond’‘ sind Spiegelplatten auf dem Boden ausgelegt und erinnern an Monets Garten. Die Kontur der zwei Teichstücke geben eine eigene Geh- wie Blickrichtung vor, definieren die Räume auf neue Weise und spiegeln das Draussen und Drinnen.
Die Videoarbeiten ‚cloud and foam‘ im chambre jaune und ‚the bird‘ im Innenhof sowie bronzene Pflanzen in der Galerie erweitern das Szenario.
‚Jardin infini’ zeigt eine Brüchigkeit, einerseits scheinbare Idylle und andererseits ein Kippmoment - das Zusammenbrechen der Harmonie. Der Garten ist Dystopie und zugleich reale Möglichkeit. Die Frage der Auflösung stellt sich, denn so wie die Farbe in Pallas Garten entschwunden ist, so entschwindet auch die Natur, … Stück für Stück. Ursula Pallas Arbeiten machen deutlich: Seit Monet hat sich der Blick auf den Garten verändert, er ist nicht mehr unberührtes Paradies, sondern ein fast zu Ende bestelltes Land geworden, dem seine eigene Natürlichkeit durch menschliches Zutun abhanden gekommen ist. Die Ausstellung zeigt jedoch keinen unbelebten Endzustand, sondern vielmehr eine zu füllende, selbst zu imaginierende Leerstelle und wirft die Frage auf, was der Begriff des Gartens und vielmehr der Begriff des Natürlichen heute bedeuten kann. Gleich einer brach liegenden Landschaft öffnet sich dieser Garten, als blanke Möglichkeit, vielleicht nahe am eigenen Ende, aber vielleicht auch: als tief schöpfendes Atem holen vor dem nächsten grossen Erwachen.
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