Kinder lernen in Survival-Kursen in Liesberg die Kraft der vier Elemente kennen
In der Naturschule Wyss können Kinder mit allen Sinnen in die Natur eintauchen. Foto: Andrea Elmiger
Von Andrea Elmiger
«Willkommen in unserem Steinkreis», begrüsst Jimmy Wyss die Kursteilnehmer, die sich um die Feuerstelle versammelt haben. Der Feuerkurs beginnt mit einem steinzeitlichen Begrüssungsritual, bei dem alle aktiv mitmachen dürfen. Der Gründer der Naturschule Wyss zeigt, wie man geeignetes Brennholz auch unter schwierigen Wetterverhältnissen finden und vorbereiten kann. Für das Entzünden des Feuers dienen verschiedene Techniken, beispielsweise das sogenannte Feuerbohren, wobei Glut nur durch Reibung von Hölzern entfacht wird.
Die meisten Survival-Kurse finden in Liesberg BL auf einem kleinen Grundstück am Waldrand statt. Diese Anlage bietet einen idealen Einstieg aus der Zivilisation in den Wald. Das Bedürfnis, mit allen Sinnen in die Natur einzutauchen, ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Kinder und Jugendliche waren von den Pandemie-Massnahmen besonders stark betroffen.
Homeschooling und Isolation führten zu vermehrter Nutzung elektronischer Medien. Bei Jimmy lernen die jungen Menschen Spurensuche und Schleichtechniken statt Gamen und Surfen. «Viele können hier endlich abschalten und sich beruhigen. Die fehlende Ablenkung durch die modernen Medien zeigt manchem auch erst deren negativen Einfluss auf. Man kann erkennen, wie ungeübt grundlegende Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Fokussieren, Gleichgewicht, Kraft, Durchhaltevermögen und Selbstvertrauen sind», erzählt der fünffache Vater. Auch Kinder mit besonderen Bedürfnissen, ADHS und Autismus profitieren von der Möglichkeit, ihre Wahrnehmung für die Natur und somit für sich selbst zu schärfen.
Durch das Erlernen von Survival-Techniken können zudem Gefahren besser eingeschätzt und mit Urängsten besser umgegangen werden. Dieses Bewusstsein zu wecken ist den drei Kursleitern der Naturschule Wyss besonders wichtig. Nebst Jimmy Wyss gehören Zoë B. Kuhn, langjährige Leiterin auf dem Robinsonspielplatz, und Armin Zürcher, «das wandelnde Geschichtsbuch», zum Team. Sein grosses keltisches Wissen helfe, die Verbindung zum Ursprünglichen zu bewahren und aktuelle Irrtümer aufzulösen. Auf den Spuren der Ahnen versuchen die drei das vergessene Wissen wiederzuentdecken und zu beleben. «Unser mentales Training basiert auf vedischen Systemen, Weisheiten von Naturvölkern, überlieferten keltischen Traditionen und eigenen Erfahrungen in Lebenskrisen», erzählt Jimmy, der mit seinen 39 Jahren bereits mehrere Grenzerfahrungen in der Wildnis gesammelt hat.
Im Feuerkurs ist die Klientel bunt gemischt. Hier sam- meln Handwerker, Polizisten, Büroangestellte gemeinsam mit Esoterikern und Abenteurern Brennholz im Akkord. Der älteste Teilnehmer ist 75, die Jüngste sechs Monate alt. Viele Familien mit kleinen Kindern schätzen das gemeinsame Erlebnis in der Natur. «Einen Tag lang in eine andere Welt, andere Zeit zu entfliehen und so viel Nützliches zu lernen, macht viel Spass», schwärmt eine junge Mutter, deren Sohn sich gerade im Laub versteckt.
Die Tageskurse bieten einen Einblick in ein bestimmtes Thema wie Feuer machen, Wasser finden und trinkbar machen, Pflanzen erforschen oder Unterschlupfbauen. Auch der Kurs «Kochen» ohne Geschirr und Pfannen sei sehr beliebt, auch wenn Missgeschicke wie ein explodierter Steinofen das Konzept kurzweilig durcheinander bringen können. «So etwas kam erst einmal vor. Der Grund: Die für den Ofen verwendeten Steine waren dafür nicht geeignet. Die Pizza aber konnte glücklicherweise gerettet werden», lacht Jimmy.
Die Kurse werden jeweils an die Fähigkeiten der Teilnehmer angepasst. Nur einer der Kurse ist ausdrücklich nur für Teilnehmer ab 18 Jahren gestattet. Auf dieser zweitägigen Wanderung wird das Überleben ohne Ausrüstung und moderne Hilfsmittel geübt. Auf die Frage, welche drei Dinge er auf eine einsame Insel mitnehmen würde, sagt der ausgebildete Wildnispädagoge: «Je nach Klima, Flora und Faune andere Sachen. Aber sicher eine Axt und ein Bild von meiner Familie.»
Im Feuerkurs zeigt Jimmy Wyss, wie man mit verschiedenen Techniken wie Feuerbohren (links) und Feuerstahl (rechts) Glut entfachen kann. Fotos: Naturschule Wyss
DAS KURSANGEBOT
Kurs 1
Vermittelt die Grundlagen für ein Leben in und mit der Natur.
Kurs 2
In zwei Tagen und einer Nacht wird eine isolierende, regendichte Laubhütte (Debris Hut) gebaut. Diese hat schon vielen in der Natur Gestrandeten das Leben gerettet und gehörte bei unseren Vorfahren zum Grundwissen des Alltags. Es wird Feuer durch Reibung erzeugt, grundlegende Tarn-Schleich- und Kampftechniken geübt sowie Wasser beschafft und aufbereitet.
Kurs 3
In zwei Tagen und einer Nacht lernen die Kursteilnehmer das Handdrill, die Königsdisziplin im Feuermachen, Nahrungs- und Heilpflanzen sowie Selbstverteidigungstechniken kennen. Die Teilnehmer suchen mindestens eine Mahlzeit selbstständig in der Natur, stellen Schnur aus Brennesseln und ein Transportgefäss/Korb aus selbst gesammelten Ästchen her. Auf diese Weise schulen sie ihre Wahrnehmung für die kleinen Dinge in der Natur.
Kurs 4
Während zwei Tagen und einer Nacht geht es auf Spurensuche. Spuren lesen und verfolgen, Fallen bauen und mit dem Wurfstock jagen stehen auf dem Programm. Auch verschiedene Kampf- und Überlebenstechniken werden eingeübt.
Kurs 5
Auf dieser zweitägigen Wanderung mit Übernachtung ohne Ausrüstung (nur eine Garnitur Kleider am Leib) steht das Überleben ohne moderne Hilfsmittel im Fokus. Unterwegs wird Nahrung gesucht und ein geeigneter Schlafplatz gesucht. Auch begegnet man hinter den Grenzen verborgener Welten Engeln, Dämonen oder ganz einfach dem inneren Schweinehund und lernt dabei in unserem täglichen Überfluss wieder Dankbarkeit und Freude zu empfinden. (Teilnahme ab 18 Jahren.)
Tageskurs Feuer
Im Tageskurs Feuer lernt man geeignetes Brennholz auch unter schwierigen Bedingungen wie Regen zu finden, vorzubereiten und mit verschiedenen Techniken zu entzünden: Mit nur einem Streichholz, dem Feuerstahl, durch Feuerschlagen oder Feuerbohren mit und ohne Bogen.
Tageskurs Pflanzen – keltische Heilkunde
Wald und Wiesen sind ein reich gedeckter Tisch und wertvolle Apotheke zugleich.
Hier lernen die Kursteilnehmer die Natur aus der Sichtweise unserer Vorfahren kennen. Es werden verschiedene Nahrungs- und Heilpflanzen gesammelt und aus ihnen leckere Gerichte sowie Salben, Tinkturen, Schnüre, Körbe hergestellt. (Es gibt auch einen Halbtageskurs Pflanzen.)
Kurs Unterschlupf
Viele verirrte, gestrandete oder sonstwie verschollene Leute sind unnötig der Kälte zum Opfer gefallen. Hätten diese gewusst, wie sie sich mit einer einfachen Notunterkunft aus Naturmaterialien vor Regen und Auskühlung schützen können, wären sie vielleicht davon gekommen. In diesem Kurs werden verschiedene Unterschlüpfe und Notunterkünfte mit deren Grundprinzipien wie dem Dachziegelprinzip, Isolation oder dem Nutzen und Leiten der Feuerwärme gezeigt und mindestens einer davon gebaut.
Tageskurs Wasser
Wir bestehen zu ca. 70 % aus Wasser. Wir können je nach Konstitution über einen Monat ohne Essen überleben, aber nur sehr wenige Tage ohne Wasser. Es ist darum besonders wichtig, trinkbares Wasser zu besorgen. Hier lernen die Kursteilnehmer, wo man Wasser sucht, welches Wasser getrunken werden darf und wie man verschmutztes Wasser trinkbar macht.
Tageskurs Kochen
Da es schwierig ist, unterwegs im Wald einen Stahltopf zu finden, lernen hier die Kursteilnehmer, wie man ohne Geschirr und Pfannen kochen, im Erdloch garen und in der Glut ohne Backofen oder mit einem schnell selbstgebauten Backofen backen kann.
Weitere Informationen finden Sie auf: www.naturschule-wyss.ch
Comments