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DER TRAUM VON FRIDA

Mathias Balzer und Helena Krauser wollen den Kulturjournalismus revolutionären. «Frida» heisst ihr gemeinsames Baby. Ein Blog, ein Live-Performance-Projekt, ein Verlag – benannt nach ihrer Katze.


Mathias Balzer und Helena Krauser, Foto: Shannon Hughes


Von Tara Hill


Keck wirkt Frida, als Brutstätte fürs Schreiben über die hiesige Kulturlandschaft. Knackig der visuelle Auftritt, auf allen Kanälen präsent die Nachwuchsmannschaft. Daher erstaunlich, wer den Eingang im hinteren Teil eines Hauses an der Schanzenstrasse betritt. Das Büro: munzig. Die Atmosphäre: Freundlich, experimentierfreudig, stylish. Die Edition: Noch kein halbes Dutzend Bücher. Reduce to the Max, quasi. Man sei langsam gestartet – aber nicht gemächlich, meint Mathias Balzer, Kopf hinter dem Projekt, das nacht seiner Katze benannt ist. Diese wiederum heisst nach Jahrhunderkünstlerin Kahlo, so der Kreativhoncho.

Was ist denn Frida nun, ein Buchverlag? Ein Amateur-Kunstprojekt? Oder doch ein simpler Kulturblog? Alles ein bisschen, erklärt der ehemalige bz-Chefredaktor, der nur noch macht, was er will. Zusammen mit seiner Lieblingsangestellten Helena sitzen sie in einem aufgeräumten Mini-Büro inmitten des hippen Stadtteils St. Johann zwischen lauter jungen Grafikern und Fotografen.


Gestartet ohne Klingelschild

Nicht mal ein Klingelschild hat «Frida» bisher. Kein Wunder: Helena ist bei unserem Besuch gerade noch in der Babypause, und «Frida» erst im April gestartet. Muss aber auch nicht sein: Dafür viele gute Ideen. Drei Bücher sind bisher erschienen: Boris Nikitiins «Versuch über das Sterben». Der bekannte Basler Jung-Dramaturg nimmt darin Abschied von seinem Vater.

Dann Benjamin von Wyls humorvoller Essay «Warum Journalismus besser ist als Jesus», eine Annäherung an die zukünftige Bedeutung der Medienlandschaft aus Sicht eines Adepten. Der Jungautor, gebürtiger Aargauer, lebt (und schreibt) seit längerem seine utopisch-dystopischen Geschichten (wie u.a. «Hyena») in Basel. Das dritte Buch gehört eher in die Reihe «Kuriosum» und erzählt die Geschichte von Hanshi, einem Bündner Original und Martial-Arts-Experten.

«Aha, Du bist immer noch auf Print abonniert», stellt Kollege Balzer grinsend fest. Er hingegen geht in der Rolle des Online-Pioniers auf, obwohl – oder gerade weil – dies das «letzte grosse Projekt ist», das er anreissen wird, vor seiner Pension. Die Frau macht den Buchverlag, leitet ihn allerdings aus Zweitwohnsitz Chur. Er ist der Medienprofi, ein alter Hase.

Zurzeit online: Ein Interview mit Feministin Elisabeth Bronfen zur Ausstellung «Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau», eine Reportage übers Backen und ein Hintergrundbericht zu Gewalt in Social Media – aus der Sicht einer Moderatorin, die sich jeden Tag den Hass im Netz anschauen muss. Dazu ein Podcast aus dem Silicon Valley, eine Theatermagazin-Lesung, ein Interview sogar mit der russischen Punk-Girl Gang Pussy Riot.


Der Vibe stimmt

Entsprechend schön – man könnte sagen der Groove und Vibe stimmt – ist der Blog aufgemacht. In hellem, grosszügigen gelb und orange prangen die Lettern «Frida» idiosynkratisch auf der Homepage. Meistens tragen bei dem Projekt, wo bisher knapp 2000 Schweizer über Crowdfunding Starthilfe geleistet haben, externe, oft bekannte Autoren als freie Mitarbeitende dazu bei, dem Fledgling zum Abheben zu helfen. Dazu braucht es – wie überall im Leben – offenbar eine Paywall. «Ja, es ist ein Abonnement-basierter Betrieb» erklärt Balzer. Nur so liesse sich das hohe Niveau halten. Berichten will das Magazin über Kunst, Theater, Literatur – und Natur. Lesen kann man Frida überall, also auch auf dem Handy. Ganz auf die junge Generation der Millenials zugeschnitten.

Bisher aufgefallen: Eine Serie, in der Künstler aus ihrem Alltag berichten – und Anleitungen geben, etwa zur Produktion von Kunst-Performances. Die Hörspielabteilung, die sich auch mal mit dem Klimawandel befasst. Und grosse Klasse: Der Live-Blog aus dem Pavillon des Theaterfestivals.

Noch sind sie nicht ganz da, bei der Anzahl Abos, die nötig wäre, um abzuheben. Selbsttragend zu sein, für all die guten Features und dichten Hintergrundartikel. Darum macht Balzer auch noch keine grossen Pläne. Das erst, wenn der Boden gelegt ist. «Neue Impulse und eine Start-Up-Atmosphäre» soll das Familienunternehmen der Balzers – neben Frau Brigitte in Chur ist Sohn Luis als Grafiker an Bord – vermitteln. Das begeistert, steckt an. Auch wenn das Ehepaar eine junge Generation an Bord holen will, die mehr im Alter ihres Sohnes steckt. Ein Dutzen hochkarätige Gastautorin – von Zines wie «zweikommensieben» und «Der Narr» – ergänzen schliesslich das nach exakt sechs Monaten erfolgreich gestartete Team.

Nur so viel: Um Frida dürfte die Schweiz auch in Zukunft nicht herumkommen. Mit 96 Franken ist man dabei. Uneingeschränkte Empfehlung: Denn guter Journalismus ist immer eine Spende wert.

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