Die Sängerin über die Plattensammlung ihrer Mutter, Partybesuche und deren Auswirkungen und ihre Vorliebe für ausgesuchte, aber nicht unbedingt neue Kleidungsstücke.
Von Michèle Faller
Schwungvollen Schrittes betritt sie das Café, an den Füssen goldene Stiefeletten, auf dem Kopf eine Strickmütze und im Gesicht ein strahlendes Lächeln. Sie setzt sich, be- stellt einen Tee und blickt erwartungsvoll. Am 18. Januar haben Anna Rossinelli und ihre Bandkollegen Manuel Meisel und Georg Dillier die jüngste CD «White Garden» herausgebracht, die direkt auf Platz eins der hiesigen Albumcharts eingestiegen ist. Drei Jahre sind seit dem letzten Album vergangen und es gibt viel zu berichten. Zum Bespiel über den namengebenden weissen Garten. «Für uns steht er für einen Neubeginn.» Während ein realer Garten meist sehr bunt sei, müsse dieser noch ein wenig bemalt werden. Er sei wie die Leere nach einer langen Beziehung, aber auch ein Garten, der neu erkundet werden möchte, wo man Neues herausfinde. Wo ein Durch- einander von Gefühlen herrsche, aber auch viel Freude und neu zu entdeckende Lebenslust. «Es ist ein guter Ort.»
Liebe und andere Empfindungen
Das ist ein bemerkenswerter Einstieg, denn ungezwungen erwähnt die Künstlerin, dass die lange, zu Ende gegangene Beziehung die eigene mit dem Bassisten Georg Dillier ist. Die neuen Songs kreisten so eindeutig um die Themen Schmerz, Alleinsein, Single- Sein und sich neu Verlieben — es sei unmöglich gewesen, so zu tun, als gehe es hier um jemand anders, erklärt sie die Offenheit bezüglich der schmerzlichen Erfahrung. Und ergänzt: «Die positive Nachricht: Liebe kann sich zwar verändern, aber was man für den Menschen empfindet, verschwindet nicht. Wir wollen immer noch füreinander da sein, denn die Musik ist unser Leben und eine Liebe, die wir teilen.» So viel im Leben passiert ist, hat sich auch in der Musik getan, die etwas wilder als früher daherkommt. Es gibt rockige Songs wie «Run» und einige elektronisch ange- hauchte. Dafür mitverantwortlich seien häufige Partybesuche gewesen, stellt Anna Ros- sinelli grinsend fest. So widerspiegle «Feel it» etwa die Stimmung um vier Uhr morgens beim Heimstraucheln. Mit «Two Hearts In My Chest» und «Heroine» kommen aber auch Melancholie und Zerrissenheit zum Ausdruck. «Die Plattentaufe findet am 16. März im Parterre in Basel statt», freut sich die Frontfrau der Band, «unsere erste überhaupt!» Fest steht auch der Auftritt am 29. Juni am «Summerstage Basel» im Park im Grünen. Die Tour durch die Schweiz folgt dann im Herbst.
Zur Musik hat Anna Rossinelli schon früh gefunden. Vor allem wegen der Platten, die ihre Mutter hörte — Mani Matter, Aretha Franklin, Dire Straits. Bald begann Klein-Anna mitzusingen. «Mami machte Videos von mir — ganz ernst und mit einer Banane oder Lampe als Mikrofon.» In der Schule besuchte sie Klassen mit Musikschwerpunkt, sang ab 15 in der Schülerband «Cocaburra» und merkte trotz anfänglich lähmender Büh- nenangst: «Musik gibt mir Kraft.» Mit 23 kam die Strassenmusik, wo sie von David Klein für den Eurovision Song Contest entdeckt wurde und es mit ihrer Band bis ins Finale schaffte. «Mit Musik hat der Contest nicht so viel zu tun — aber es war eine Megaerfahrung, die ich nicht missen will.» Seit der zweiten CD «Marylou Two» komponierten sie alles selber. «Wir fanden immer mehr zu uns selber und bei ‚White Garden‘ bastelten wir wirklich so lange, bis wir hundertprozentig zufrieden waren», sagt die junge Frau mit diebischer Freude.
Heute kann die Sängerin — was sie sich nie hätte träumen lassen — von der Musik leben. «Bescheiden, aber ja», sagt sie. Alle drei gingen aber auch noch anderen Jobs nach. Sie selber betreibt seit drei Jahren mit einer Freundin das «Kiöskli» im Rheinbad St. Johann, was ihr grosse Befriedigung verschaffe. «Läufts nicht so gut?» Den Spruch habe sie dort schon ein paar Mal gehört. «Wenn ich gerade ein total geiles Album herausgegeben habe, dann läuft es für mich gut», sagt sie mit Nachdruck. «Ich mache ja nicht in erster Linie Musik, um Geld zu verdienen, sondern weil sie rausmuss!»
Spezielle Stücke und Bühnenoutfits
Am Hals der Sängerin baumelt ein Kettchen mit einem glänzenden Medaillon. Sind ihr Mode und Kleider wichtig? «Ja», sagt sie nach kurzem Überlegen lächelnd: «Ich ziehe mich gerne an — jeden Tag anders.» Schmuck sei für sie oft eine Erinnerung an Länder oder Menschen und auch bei den Kleidern stehe der emotionale Wert im Vordergrund. «Ich suche gerne in Brockis oder auf dem Flohmi ein spezielles Stück.» Der Gedan- ke, dass ein Schmuckstück schon in den 40er-Jahren getragen wurde, gefällt ihr. Auch qualitativ Hochstehendes aus Baumwolle oder Seide haben es ihr angetan. Trotzdem dürfe es nicht zu viel werden. «Geh nicht da rein!», sage sie sich manchmal selbst, «du brauchst kein T-Shirt!» Wenn es zu viele würden, gebe sie die Kleider wieder in Umlauf. Bei einem Auftritt darf es festlich sein. «Aber ich gehe als Anna auf die Bühne und verkleide mich nicht», stellt sie klar. Auf der letzten Tour habe sie meist ein Glitzerkleid getragen, was es bei der kommenden sei, stehe noch nicht fest. «Der Vorteil eines Büh- nenoutfits: Man muss nicht überlegen, was man anziehen soll.» Beim Thema äussere und innere Form darf auch das Stichwort Fitness nicht fehlen. Kurzes Stirnrunzeln. Ins Fitnesscenter oder Joggen gehe sie nicht. «Ich bin keine Sportskanone.» Doch sie sei ein aktiver Mensch, wohne im dritten Stock und fahre viel Velo. Yoga mache sie auch ein bisschen. «Das sollte ich aber mehr machen. Man wird ja auch nicht jünger. Und auf der Bühne hüpfe ich doch ordentlich rum!» In ihrer Freizeit jasst Anna Rossinelli gern oder kocht ein schönes Essen für Gäste. «Freunde treffen ist eigentlich mein Hobby.» Und mit wem würde sie am liebsten ein Duett singen? «Mit Freddie Mercury hätte ich gerne ein Duett gesungen — und einen Teller Spaghetti gegessen!», kommt die sofortige Antwort. «Er interessiert mich als Sänger und als Mensch. Meine Mutter hörte ihn früher immer — er ist auch eine Kindheitserinnerung.»
Infos zur Tour durch die Schweiz: www.annarossinellimusic.com
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