Tanja Grandits ist Koch des Jahres 2020 und mit Michelin-Sternen und Gault-Millau-Punkten reich ausgestattet. Die Stucki-Chefin über ihr neuestes Kochbuch, monochrome und vielfarbige Gerichte und schöne Feedbacks aus dem Lockdown.
MICHÈLE FALLER
Schwarz gekleidet und mit erwartungsvollem Blick sitzt sie da. Bekannt ist sie aber für ihre Farben – und die Aromen natürlich. Ob es eine gute Idee war, die Spitzenköchin, die seit zwölf Jahren mindestens achtteilige Menüabfolgen in jeweils verschiedenen Farben kreiert – wobei diese wieder aus zahlreichen Farbabstufungen komponiert sind –, nach ihrer Lieblingsfarbe zu fragen? «Von allem, was rosa ist, bin ich ein grosser Fan», sagt die zierliche Frau dann sehr freundlich. Das sei ihre Farbe, die ihr auch guttue. Abgesehen davon variiere die Lieblingsfarbe. Im Moment seien es die schönen war- men Gelbtöne. Ocker, Senfgelb, Goldgelb ... wie die stilisierte Blüte auf der schwarzen Schürze. Tanja Grandits ist seit zwölf Jahren Chefin des Restaurants Stucki, hat zwei Sterne im Guide Michelin, ist Koch des Jahres 2020 und mit 19 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet, womit sie in die nun achtköpfige Truppe der besten Schweizer Köche aufgestiegen ist. Das stimmt zwar nur halb, denn stets betont die berühmte Köchin, dass sie sich diese Weihen gemeinsam mit ihrem Team erkocht, und auch im Gespräch ist immer wieder nicht nur Stolz, sondern auch Bewunderung für ihre Mitarbeiter zu spüren. Andere Meister ihres Fachs sind auch auf die eigene Crew angewiesen, doch Grandits betont es explizit – und meint es auch so.
Vegetarisch und genussvoll
Die in Albstadt auf der Schwäbischen Alb geborene Erfolgsköchin mit dem hübschen Dialekt ist auch Buchautorin. Vor wenigen Wochen erschien ihr siebtes Kochbuch «Tanja vegetarisch» und mit einem Strahlen im Gesicht, das an diesem regnerischen Herbsttag das ganze Bruderholz zu erhellen scheint, berichtet sie von ihrem bisher «absolut tollsten» Kochbuch. Zu Hause koche sie ausschliesslich vegetarisch, abgesehen von Hühnersuppe als Krankenkost. Ihre 15-jährige Tochter Emma sei Vegetarierin, wie sie selber in dem Alter. Erst in der Ausbildung habe sie wieder angefangen, Fisch und Fleisch zu essen. «Vegetarisch, aber extrem genussvoll», umschreibt die Köchin das neue Buch präziser, um sich von dogmatischer Selbsteinschränkung abzugrenzen. Wenn man etwas mit guten Zutaten frisch koche, sei es doch schon gesund. Auch wenn mal Zucker und weisses Mehl drin sei.
Besonders sei das Buch auch wegen seiner Entwicklung. Im April hätte alles fotografiert werden sollen und im März hatte die Autorin das ganze Wohnzimmer ausgeräumt und alle Requisiten bereitgestellt. «Dann kam der Lockdown und ich sass in meinem Fotostudio da.» Darauf nahm das neu geschaffene Take-away die Stucki-Chefin voll in Anspruch. Doch kaum war das Restaurant wieder geöffnet, ging es schnell. «Es hat unglaublich Spass gemacht und das Kochbuch ist mit einer grossen Leichtigkeit entstanden», schwärmt die Spitzenköchin.
«Ich möchte eine Inspiration sein»
«Es ist für Emma», sagt sie dann mit geradezu rührender Offenheit. «Sie kocht immer noch nicht», schmunzelt die Mutter und knüpft damit an das vor zwei Jahren erschienene «Tanjas Kochbuch. Vom Glück der einfachen Küche» an, dessen Vorwort die Tochter schrieb. Sie könnte es, räumt Grandits ein, und backe sogar ohne Rezept Goodies für ihr Pferd. «Doch sie hat ihre eigene Leidenschaft. Sie ist eine tolle und hingebungsvolle Reiterin», sagt die Mutter bewundernd. Emma wisse viel über Essen. Auch, ob etwas gut sei oder nicht. «Das ist wichtiger, als selber zu kochen.» Im Buch seien «ganz normale Sachen» drin, die sie mal kochen könne, auch das absolute Lieblingsdessert Crème brûlée – aber nur mit Vanille. «Das findet sie ganz schlimm, wenn man es mit Kräutern oder Gewürzen ‹verunstaltet›», erklärt die Köchin, in deren Küche Kräuter eine zentrale Rolle spielen – auch die Fenchelblüte, die zum Logo wurde und mittlerweile sogar ihren rechten Unterarm ziert. Sie lacht beinahe entschuldigend und betrachtet das Tattoo zugleich mit kindlicher Freude. Im Kochbuch sei natürlich nichts monochrom, das mache zu Hause keinen Sinn. «Für die Restaurantgäste ist es wie eine Dramaturgie unseres Menüs. Und für mich ist es eine grosse Inspiration, da ich mich beschränken muss.» Das Monochrome sei manchmal fast zu sehr drin, berichtet sie nun amüsiert. «Beim Fotografieren für das Buch hatte ich anfangs richtige Hemmungen, die grüne Minze auf die roten Tomaten zu legen!» Dass sie in unterschiedlichen Welten agieren darf, gefällt der gefeierten Köchin sehr. Sie sei einerseits Mutter, Hausfrau und Kolumnistin, andererseits Chefin des Stucki. Dies spreche viele Frauen an und hier sei sie gerne Vorbild. Das erklärt auch, warum die Spitzenköchin in ihren Büchern alle ihre Tricks verrät. «Ich möchte eine Inspiration sein.» Die unzähligen Feedbacks – insbesondere während des Lockdowns – seien für sie genauso wichtig wie die Guide-Michelin-Sterne oder die Gault-Millau-Punkte, versichert Grandits und berichtet voller Freude von den drei älteren Damen, die statt einer Woche im April sieben Wochen in Südfrankreich bleiben mussten und jeden Tag etwas aus ihrem Buch kochten. So könnte man der sympathischen Frau stundenlang zuhören. Sie spricht schnell und erklärt viel, doch nie verliert sie den Faden. Etwa wenn sie ohne moralischen Zeigefinger von den Gräueln der Massentierhaltung berichtet und darauf aufmerksam macht, dass einfach und gut kochen keine Geldfrage sei. Wenn sie von ihrem Lieblingsheimatessen, dem «schwäbischen Nationalgericht» Linsen mit Spätzle schwärmt, das es manchmal als Personalessen gibt: «Mein Küchenchef kommt aus dem Schwarzwald und hat schon als Sechsjähriger Spätzle vom Brett geschabt – er macht die besten auf der ganzen Welt. Und mein Sous-Chef macht die besten Linsen.» Oder wenn sie die Offenheit der Stadt Basel rühmt und feststellt, dass ihre Bewohner ausgesprochene Geniesser seien – und, dass sie sich hier immer mehr zu Hause fühlt: «Basel ist genau der richtige Ort für mich.»
Wichtige Ästhetik
Immer wieder betont die geerdete Sterneköchin die Wichtigkeit, sich selber Gutes zu tun, wozu auch das Pflegen von Ästhetik gehöre, etwa mit schönem Geschirr: «Die eigenen Sinne anzusprechen erhält gesund und glücklich», bringt sie es auf den Punkt. Sie sei jetzt 50 und wisse, was ihr guttue: gute Ernährung, Yoga und frische Luft. Und weil es ihr gut geht, engagiert sie sich für andere: als Terre-des-Hommes-Botschafterin dafür, dass junge Frauen in Tansania eine Ausbildung machen können.
Und ihr Rezept, sich als Frau in einer Männerdomäne zu behaupten? «Sich selber sein», kommt es wie aus der Pistole geschossen. Wenn man seinen Prinzipien treu bleibe und sein eigenes Ding mache, spiele es gar keine Rolle, ob man eine Frau oder ein Mann sei. Es brauche keinen Befehlston, sondern Selbstbewusstsein und den Mut, Entscheidungen zu treffen. «Als Chefin muss man zuhören können», hält sie ausserdem fest und verrät lächelnd ein weiteres ihrer Erfolgsgeheimnisse: «Wir zelebrieren hier alles und haben uns unsere eigene Welt voller Schönheit geschaffen – das macht es einfach, die guten Leute bei sich zu halten.»
Comments