Am 7. Februar 2021 feierte die Schweiz das 50-Jahr-Jubiläum der Einführung des Frauenstimmrechts. Wir haben Leila Straumann, Leiterin der Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern Basel-Stadt, zu einem Gespräch getroffen.
Leila Straumann, Leiterin der Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern Basel-Stadt
Carine Legio-Egli
Die Ökonomin Leila Straumann setzt sich seit rund 20 Jahren für die Gleichstellung ein. Für sie ist dieses Jubiläum ein Grund zum Feiern. Damit wird gewürdigt, wie engagiert und beharrlich Frauen (wie auch Männer) fast ein ganzes Jahrhundert lang für ihre Rechte gekämpft haben.
Was bedeutet dieser historische Moment für Sie? Ein Jubiläum zu feiern ist wichtig, damit wir uns erinnern, würdigen und in die Zukunft blicken. Die Abteilung Gleichstellung hatte gemeinsam mit verschiedenen Institutionen ein abwechslungsreiches Jubiläumsprogramm für den 7. Februar geplant. Die meisten Aktivitäten mussten leider in die sozialen Medien verlagert werden. Und so war auch ich am 7. Februar online unterwegs. Die grosse Dynamik und Resonanz, die tausenden Posts, Tweets, Videos und Bilder zum Anlass haben mich beeindruckt. Meine Gedanken waren auch bei meiner Mutter, einer gebürtigen Malaysierin mit indischen Wurzeln. Nach der Heirat mit meinem Vater, einem Schweizer, wurde sie automatisch eingebürgert und verlor dadurch ihr Wahlrecht, dass sie in ihrer Heimat hatte. Für sie war es unverständlich, dass Frauen in der vermeintlich fortschrittlichen Schweiz nicht wählen durften, zur selben Zeit in Indien aber Indira Gandhi das Amt der Premierministerin innehatte.
Bis vor 50 Jahren haben nur Männer die politische Debatte geprägt und bestimmt. Erst seit 1971 ist die Schweiz eine echte Demokratie. Was bedeutet das?
Die Gleichstellung ist erst seit 50 Jahren ein Thema im politischen Alltag. Es hat weitere zehn Jahre gedauert, bis der Bundesverfassungsartikel zur Gleichstellung von Frauen und Männern angenom- men wurde. Und das Gleichstellungsgesetz kam erst 1996! In der Schweiz spüre ich zurzeit eine ak- tive und differenzierte Diskussion über die Gleich- stellung. Diese hat mit der #MeToo-Bewegungund dem Frauenstreik 2019 Auftrieb erhalten. Wir spüren auch, dass sich nicht nur Frauen, sondern insbesondere auch junge Männer aktiv für dieGleichstellung einsetzen. Gleichzeitig sind aber auch gegensätzliche Entwicklungen sichtbar, wie bewahrende und traditionelle Rollenvorstellungen.Mit diesen gegenläufigen Tendenzen ist es momen- tan eine bewegte Zeit für die Gleichstellung.
Die Gleichstellung umfasst viele Themen. Worauf fokussiert die Abteilung Gleichstellung besonders?
Die Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern setzt vielfältige Schwerpunkte. Ein zentrales Thema ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Netzwerk «Familienfreundliche Wirtschaftsregion Basel» engagieren wir uns beispielsweise gemein- sam mit Unternehmen, Wirtschaftsverbänden, und Verwaltungsstellen für die Förderung von familienfreundlichen Arbeitsbedingungen. Ein spezielles Augenmerk legen wir zudem auf die Lohngleichheit. Basel-Stadt hat in diesem Jahr Lohngleichheitskontrollen im Beschaffungswesen eingeführt. Und auch die Verteilung von bezahlter und unbe- zahlter Arbeit (Care-Arbeit) steht vermehrt im Fokus unserer Tätigkeit. Diese Arbeit wird vor allem von Frauen geleistet, sei dies in Spitälern, Pflegeinstitutionen oder zu Hause. Die Corona-Pandemie hat die gesellschaftliche Relevanz der Care-Arbeit deutlich aufgezeigt.
Sie setzen sich seit vielen Jahren für eine gerechtere Gesellschaft und für die Gleichstellung ein. Woher nehmen Sie diese Energie? Ich kann gemeinsam mit meinem Team in der Abteilung Gleichstellung ein gesellschaftliches Thema aktiv mitgestalten. Die Sinnhaftigkeit meiner Arbeit motiviert mich enorm. Unsere Abteilung ist nahe am Puls von gesellschaftlichen und politischen Veränderungen. Es ist ein Privileg, mich für die Gleichstellung in Basel engagieren zu dürfen.
Mehr Informationen unter: ° gleichstellung.bs.ch ° familienfreundliche-wirtschaftsregion-basel.ch
Links: Fackelzug in Basel, Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1013 1-1532 1 (Foto Hans Bertolf) Rechts: Frauenstreik 2019 in Basel
Comentários