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ZWISCHEN VERFÜHRUNG UND IRRITATION

Aktualisiert: 24. Feb. 2020


Von Maria Becker

Wer sich in einer Ausstellung der Malerin Jung-Yeun Jang bewegt, befindet in einem Kosmos der Frauen. Jung und schön sind sie, und die Gemälde zeigen sie aus unzähligen Perspektiven und in vielen Stimmungen: Sie lachen und träumen, posieren verführerisch oder plätschern im Schwimmbecken. Es sind Momente wie aus einem Film, in dem alle Rollen von Frauen besetzt sind. Ein Video zu einer Ausstellung von 2017 zeigt, dass die Künstlerin ihre Bilder für den Raum komponiert wie ein Set. Es gibt grosse Einzelauftritte und dichte Cluster, in denen sich das Auge verirrt wie in einem Spiegelkabinett.


«Frauen sind ein Sujet, dass mich seit mehr als zwanzig Jahren beschäftigt», sagt Jung-Yeun Jang. Ich treffe sie in ihrem Atelier in Basel. Auch hier eine Welt, die fast ausschliesslich von Frauenbildern dominiert ist. Nur vereinzelt sind Stillleben und Architektur-Motive darunter. Die Antwort ist überraschend, als ich sie frage, was Frauen für sie verkörpern: «Ein Gesicht oder ein Körper sind immer mit der Psyche verbunden. Sie sind beweglich, wie eine Tür zum Wechseln.» Steckt nicht auch etwas von dir darin, will ich wissen. «Ja, vielleicht ein Detail, eine Erinnerung oder ein Wunsch. Dass es Frauen sind und nicht Männer, ist wichtig. Es hat mit meiner Identität zu tun.»



Jung-Yeun Jang ist in Seoul geboren und hat dort an der Seoul Woman’s University mit Schwerpunkt westliche Malerei in Korea studiert. 1990 zog sie nach Paris, um ein Studium an der renommierten Ecole Nationale Supérieure des Beaux-Arts anzuschliessen. Die Jahre in Paris — zehn insgesamt — haben sie sehr geprägt: «Ich habe viel gelernt, viele Leute kennengelernt. Der Austausch und die Inspiration waren so anders als in Korea.» Schon während dieser Zeit hat sie ihre Bilder ausgestellt. Heirat und Familie haben sie dann nach Basel geführt. Zahlreiche Einzel- und Gruppenschauen in Paris, Berlin, Korea und der Schweiz folgten.


Ihr Leben spielte sich in drei Welten ab, sagt Jung-Yeun Jang. Jeweils etwa ein Drittel ihrer Zeit war von anderen Orten bestimmt. Drei verschiedene Kulturen und drei verschiedene Arten zu denken. Bei ihrem letzten Aufenthalt in Korea 2018 ist ihr dies besonders bewusst geworden. Sie war mit einem Stipendium drei Monate dort und arbeitete für eine grosse Einzelausstellung im Youngeun Museum of Contemporary Art. Sie merkte, wie viel europäisches Denken in ihr ist. «Das war eine grosse Konfusion. Doch dann habe ich plötzlich gedacht, dass ich sehr reich bin durch diese Erfahrung. Aber die andere Seite ist, dass ich nie ganz in einer der drei Welten sein kann.»


Koreanische Motive kommen in ihren Bildern nur sehr selten vor. Die direkt mit dem Pinsel auf der Leinwand komponierten Sujets sind in klassischer Öltechnik gemalt. Ihre Farben leuchten sinnlich und delikat. Tizian und Manet, die Meister der grossen Peinture, aber auch zeitgenössische Maler wie der Amerikaner John Currin sind Vorbilder für Jung-Yeun Jang. Ebenso präsent ist die Welt der Fotomodelle, der Werbung, der Stars und Magazine. Die Künstlerin verwandelt diese Vorlagen, verändert das Licht, die Gesten, den Ausdruck. Das englische Modell Kate Moss wird bei ihr zu einer unbekannten Frau, die eine Strasse überquert. Der symbolistische Frauentyp von Ferdinand Hodler ist in ein modernes Kleid geschlüpft.



Es sind Bilder zwischen Verführung und Irritation. Das Auge entdeckt Bekanntes, und doch ist alles neu. Was ist für sie Schönheit, frage ich. Auch jetzt ist die Antwort überraschend. «Für mich ist Schönheit, zu akzeptieren, was wir haben. Das ist schwierig in unserer heutigen Welt.» Widerspricht das nicht dem Frauenbild ihrer Kunst, das ein Ideal weiblicher Schönheit verkörpert? Schönheit sei für sie inspirierend, entgegnet sie mir. Doch aus der Faszination kommt auch Erkenntnis. «Mit der Erfahrung wird das Sehen anders. Die Erfahrung von Schönheit kann wechseln.»


Im Atelier steht das grösste Bild, das Jung-Yeun Jang je gemalt hat. Es ist ein Blick aus dem Wintergarten einer historischen Villa. Es sei für sie neu gewesen, in den Raum eines Bildes so einzusteigen. In der Grössendimension erkundet sie eine unbekannte Erfahrung. Überhaupt sei das Moment des Lernens und der Erfahrung mit der Zeit für sie wichtiger geworden. Zeigt sich darin ein Wandel der Verführung? Jung-Yeun Jang lächelt. Ihre künftigen Bilder werden es zeigen.


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